Alvar Aaltos Reisen in die Welt
Alvar Aalto ist einer der internationalsten Architekten unserer Zeit. Basierend auf Archivmaterial wie Briefen, Quittungen, Rechnungsbüchern, Telegrammen und Pässen wird geschätzt, dass Aalto zwischen 1920 und 1975 rund zweihundert Reisen unternommen hat. Diese Reisen geben Aufschluss über die kosmopolitische Natur des Architekten, aber auch über den Tourismus im Allgemeinen – Aalto lebte und arbeitete zu einer Zeit, in der sich das Reisen in Finnland und anderswo in der Welt in einem enormen Tempo entwickelte.
Seine frühen Auslandsreisen führten Aalto während des Studiums in den 1920er Jahren in die Hauptstädte der Nachbarländer – Stockholm, Kopenhagen und Riga. Dort machte er sich mit den nächstgelegenen Vorbildern der internationalen Architektur bekannt. Eine Ausstellung für Architektur und Umweltgestaltung in Göteborg von 1923 war für den jungen Architekten von besonderer Bedeutung – sie bot ihm eine Gelegenheit, sich über die neuesten Errungenschaften in seinem Bereich zu informieren und Beziehungen zu internationalen Kollegen knüpfen.
Aaltos erste Reise zur Geburtsstätte der europäischen Architektur war eine Flitterwochenreise nach Italien im Jahre 1924. Das junge Architektenpaar, Aino und Alvar Aalto, trat seine Reise in einem Privatflug an, welches am Helsinkier Wasserflugzeughafen Katajanokka abflog. Wie die Fahrt verlief, ist nur teilweise bekannt, aber man weiß, dass das Paar zu Beginn eine Zwischenstation in Wien einlegte. Von dort aus setzten Aino und Alvar die Reise fort und hielten sich – wie an den leicht zu identifizierenden Ortsansichten in Aaltos Skizzenblock zu erkennen ist – u. a. in Verona, Padua, Venedig und Florenz auf. Die Liebe zur Kultur, Landschaft und Architektur des Mittelmeerraums, die während der Flitterwochen entflammte, zog Aalto auf seinen späteren Reisen immer wieder nach Südeuropa, die Wiege der klassischen Architektur.
Alvar und Aino Aalto legten während ihrer Flitterwochenreise im Jahre 1924 eine Zwischenstation in Wien ein. Bild: Das Alvar-Aalto-Museum
Reisen zu den Stätten der modernen europäischen Architektur in den 1930er Jahren sowie nach Amerika in späteren Jahren legten den Grundstein für Aaltos internationale Karriere. Aalto nahm oft an Architekturseminaren und Symposien teil, bei denen er die großartige Gelegenheit hatte, Kollegen aus der ganzen Welt zu treffen – viele wurden von ihnen enge Freunde oder Bekannte der Familie Aalto. Ab den 1930er Jahren war Aalto auch Mitglied in internationalen Architekturverbänden (u. a. CIAM). Er ging auf Vortragsreisen und arbeitete als Gastprofessor am Massachussets Institute of Technology in den USA.
Insbesondere seit den 1950er Jahren hat die Arbeit den Architekten um die ganze Welt geführt – so wurde das Architekturbüro von Aalto im Laufe der Jahrzehnte mit der Planung von insgesamt 16 verschiedenen Objekten im Ausland beauftragt. Die Reisen, die Aalto in seinen späteren Jahren nach Mitteleuropa machte, standen im Zusammenhang mit der Planung von Gebäuden. Auch in Deutschland wurden einige Gebäude von Aalto fertiggestellt. Alto verband seine Mitteleuropa-Reisen auch mal mit einem Urlaub, zum Beispiel einem Skiurlaub in den Alpen mit seiner zweiten Frau, Elissa.
Elissa (2. von links) und Alvar Aalto (2. von rechts) bei einer Besprechung in der Maison Louis Carré während der letzten Bauphase der Villa. Bild: Alvar-Aalto-Museum
Nicht immer wurden die Entwürfe von Aalto verwirklicht. Die Entwurfsarbeit für ein Projekt konnte Jahre in Anspruch nehmen und war oft auch mit mehreren Verhandlungsreisen verbunden. Während seiner Reisen hatte der Architekt oft einen Skizzenblock bei sich. Auf den Seiten des Blocks entstanden Skizzen von Landschaften, gebauten Dörfern und Stadtansichten, die Aalto auf seinen Reisen durch die Welt – bisweilen sogar aus der Vogelperspektive – gesehen und erlebt hatte. Manchmal nahm Aalto von diesen Reisen auch „architektonische Mitbringsel“ mit nach Hause, die sich in den überraschendsten Kontexten als Themen-, Formen- und Materialzitate an Aaltos Gebäuden wiederfanden.
Weitere Informationen zu Alvar Aalto finden Sie auf der Website der Alvar-Aalto-Stiftung: Alvar Aalto – ein Pionier der modernen Architektur und des modernen Designs [auf Englisch]
„Wer man als Reisender einmal dem Zauber der italienischen Kleinstädte erlegen ist, ihre Vollkommenheit erlebt hat, von der zumindest ich fasziniert bin, wenn die Hügel von Cagnes, Bergamo und Fiesole wie Erinnerungsbilder aus ihrer Verborgenheit hervortreten, bleibt für ewige Zeiten ein seltsamer Bazillus im Blutkreislauf in einem zurück, der eine Krankheit hervorruft, die lang andauernd und schwerwiegend ist.“ Alvar Aalto, 1924.